CD/LP-Album
Denovali Records 2009
Nach langem Warten bringen KODIAK dieser Tage endlich ihr erstes offizielles Album heraus. Die Erwartungen hinsichtlich des Releases waren sehr hoch, weil ich mir bereits beim Stoner Hands Of Doom Festival im letzten Sommer einen bleibenden Eindruck von den Live Qualitäten der drei instrumentalen Ruhrpöttler verschaffen durfte. Auch die damals erhältliche Demo machte Lust auf mehr. Mittlerweile stehen KODIAK bei Denovali Records unter Vertrag und das hier zu besprechende Album kann beim Label vorbestellt werden. Leider wird es vorerst keine CD Version geben (...ist mittlerweile über Denovali erschienen - Anm. d. Verf.). Das sollte aber aus zwei Gründen zu verschmerzen sein: die beiden Songs können, allem Kommerz zum Trotz, direkt und kostenlos von der Labelseite als MP3 heruntergeladen werden. Wem das musikalische Bemühen der Band mehr wert ist, der darf sich die LP besorgen, welche im arktisch kühlen und sehr ansprechenden Design daherkommt. Dazu passend wird es 150 Exemplare mit eisblauem und 350 mit transparentem Vinyl geben.
Wer jetzt denkt, dass er sich verlesen hat, den kann ich beruhigen. Es gibt tatsächlich nur zwei Lieder, die dem Release aber aufgrund ihrer Überlänge ohne Weiteres zum Albumstatus gereichen. Titel Nummer eins schlägt mit gut 18 Minuten und Titel zwei mit reichlich 21 Minuten zu Buche. Mehr passt üblicherweise kaum auf zwei Vinylseiten. Wer sich Namen außerdem schlecht merken kann, auf den wird Rücksicht genommen. Das Hörerlebnis fängt, wie uns der erste Songtitel verrät, mit „Beginning“ an. Ebenso sparsam aber nicht minder beeindruckend setzt sich der instrumentale Tross gemächlich in Bewegung. Über eine Minute darf man sanften Cello-Klängen lauschen, die durch Emily von der schwedischen Postrock Band Audrey eingespielt wurden. Wie die Nebelschwaden beim Sonnenaufgang wird die vermittelte Ruhe behutsam von Gitarrenklängen durchzogen. Spätestens mit dem kraftvoll einsetzenden Schlagzeug erheben sich die Anschläge zu disharmonischer Bedrohung und der wabernd dröhnende Bass erstickt alle Romantik im heuchlerischen Keim. Panische Schreie im Hintergrund verstärken unterschwellig die durchdringende Eiseskälte. Einsamkeit breitet sich aus und lässt den Verstand verzweifeln. Der anfängliche Morgendunst hat sich zu einer schier undurchdringlichen, akustischen Nebelwand erhoben. Im letzten Drittel des Songs steigern sich die Instrumente in verzweifeltes Aufbegehren und vermitteln die aufbrechende Hysterie des imaginären Protagonisten, um im abrupten Abschluss sein unausweichliches, mentales Desaster zu manifestieren.
Der Titel „End“ lässt mich die geistige und physische Einöde miterleben. Aus der Ferne hallen bedrohliche Klänge wieder, dröhnendes Grollen verstärkt das Unwohlsein und eine dumpf verzerrte, traurige Stimme zitiert aus Lovecrafts „Mountains of Madness“. Das abrupt einsetzende gleichförmige Schlagzeugspiel und die sporadisch angeschlagenen Saiten vermitteln ein Gefühl des Gefangenseins in unaussprechlichen Weiten, der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins. Das Arrangement verringert sich zu aggressivem Minimalismus. Die Instrumente verhallen dumpf und für lange Zeit in der Ferne, nur der leise Bass kündigt das drohende Ende an. Das abschließende Soundgewitter vermittelt weniger Hoffnung als den finalen Wahnsinn und die Sicherheit, dass danach nichts mehr ist und nie wieder sein wird.
KODIAK liefern mit ihrem aktuellen Album superben Ambient Post Doom ab und gewähren uns einen akkustischen Einblick in die mentalen Abgründe des menschlichen Daseins. Die Stärke der Kompositionen liegt im dramaturgischen Aufbau der Titel, die mit sparsamen, geradezu minimalistisch eingesetzten Stilmitteln in Szene gesetzt werden. Rein instrumental wird eine Geschichte erzählt, deren Inhalt der individuellen Fantasie überlassen bleibt. Jedem aufmerksamen Hörer sollte sich zumindest erschließen, dass es kein Happy End gibt.
Bewertung: 9 von 10