"Vive la France et Doom Metal"
Gestern Abend gab es endlich wieder einen triftigen Grund die Sporen anzulegen, das Eisenpferd zu satteln und in unsere Bundeshauptstadt Berlin zu reiten. Die französischen Sludge-Droner Monarch luden im Koma F zum Stelldichein. Um sich die Lokalität ansatzweise vorstellen zu können, zunächst eine Anekdote:
Mein kleiner elektonischer Freund meinte es wieder einmal gut mit mir und dirigierte mich samt Untersatz sicher und (fast) ohne Umwege zum Ziel. Nun stand ich im schönen Kreuzberg, fernab der Hauptstraße, der Wind blies eine leere Plastiktüte an mir vorüber, kein Mensch weit und breit, kein Koma F war in Sicht. Moment, konnte es sein...? Zwischen zwei am Straßenrand parkenden, durchgerosteten und vermutlich TÜV-feindlichen Transportfahrzeugen bewegten sich mir zwei völlig überfüllte, einen barbarischen Gestank vor sich herschiebende Müllcontainer entgegen. Hinterdrein mühten sich mehrere äußerst alternativ anmutende Gestalten ab…drückend, zerrend, fluchend, den verlorenen Müll einsammelnd. Hier musste ich wohl richtig sein. Als guter Thälmann-Pionier erinnerte ich mich meiner Erfolge als Schnipseljäger und folgte zielsicher der Müllspur, die unüberseh- und riechbar nicht nur den Weg, sondern auch den Torbereich säumte. Da stand ich nun inmitten eines Hofes, bellende Hunde stürmten mir entgegen, aus einer Tonne loderten Flammen, eine bröckelnde Fassade verbreitete autonomes Kommunenflair, davor alte Tische, kaputte Bänke… Viele Menschen unterschiedlichster Coleur und Herkunft tummelten sich dort, relaxten, standen herum, tranken, rauchten und… schauten mich an, als wenn ich in eine verbotene Zone eingedrungen wäre. Nachdem ich mein Anliegen zur Kenntnis gebracht hatte, erbarmte sich doch jemand und antwortete mit Akzent: „Dort is das Koma F, is noch nich offen!“ Nun gut, dachte ich mir und besorgte mir, nachdem ich der Spur wieder nach draußen gefolgt war, erst einmal etwas zu essen und Bargeld.
Später am Abend, so gegen 21.30 Uhr betrat ich wiederum, nun aber unbeachtet das Heiligtum und setzte mich auf eine Bank. Der junge Mann neben mir, farbig gekleidet, bebrillt und mit skurrilen Ohrringen behangen, drehte sich eine Zigarette. Ich sprach ihn an, er antwortete. Nur konnte ich kein Französisch, er kein Deutsch, aber etwas Englisch, so dass wir doch ins Gespräch kamen. Er war, wie sich herausstellte, der neue Schlagzeuger von Monarch. Bald gesellten sich zwei weitere Herren dazu und eine junge Dame…Küsschen links, Küsschen rechts. „Bonjour!“, sagte Emelie (Monarch/Gesang). Natürlich wurde zunächst über Doom diskutiert, aber schnell landeten wir beim schönen Frankreich und seinen sowohl kulinarischen als auch geografischen Vorzügen – Essen hier, Wein dort.
Mittlerweile hatte sich der Hof gut gefüllt und polnische Crust Fanscharen drängten sich zahlreich die Treppe hinunter in die feuchten Katakomben des Koma F, um den eröffnenden Insuiciety-Ableger (Name vergessen) abzufeiern. Zumindest kam mir die Frontdame gleich bekannt vor vom B.SON Konzert im Cassiopeia letztes Jahr. Aus Luftmangel und weil mir purer Crust recht schnell auf die Nerven geht, gesellte ich mich wieder zur Hofrunde, um die interessanteren Gespräche fortzuführen.
Zu unbekannter Stunde begaben sich die Herren und Damen Monarchen dann in die unteren Bereiche, um die Technik und sich selbst auf den nun folgenden Auftritt vorzubereiten. Emilie sagte mir noch, und ich dachte, sie will mich veräppeln: „We play just one song!“ Das Licht ging aus bis auf ein paar Spots und Monarch ließen die alten Gemäuer erzittern. Der nagelneue und noch unveröffentlichte Song „Mer Morte“ versetzte die kondensierende Luft in wabernde Schwingungen. Die Dronewelle breitete sich weit über die vordersten Reihen hinweg aus und veranlasste zu ekstatischen Wippbewegungen. Stephane traktierte das Schlagzeug mit einer solchen Inbrunst, dass er fast vom Höckerchen purzelte. Shiran entlockte seiner Gitarre gar feine Distortions. MicHell brachte die vier Saiten zum Glühen und schwang das Brett, dass es ihm fast aus der Hand flog. Emilie flüsterte und sang, schrie und growlte um ihr Leben…Energie pur! Und dann war Schluss, nach 40 Minuten und einem irren Song…Hammer!
Irgendwann in den Morgenstunden und einige Gespräche später begab ich mich auf die Reise gen Heimat. Der nachts ach so schön erleuchtete Berliner Funkturm veranlasste mich noch zu einem ausgedehnten fototechnischen Zwischenstopp... Bis zum nächsten Mal in Berlin!
Zu den Bildern des Abends: Fotogalerie