Nicht zuletzt aufgrund der Schwemme von Doom-Over-Festivals, Sludge-, Stoner- und irgendwelchen zurzeit im Trendstrom mitschippernden Out-Of-Nothing-And-Nowhere-Veranstaltungen ist mir das BERLIN SWAMP FEST bisher durch die Lappen gegangen. Immerhin lud die Swamp Conspiracy vom 15. bis zum 17. September bereits das dritte Mal zum gemeinsamen Feiern in Germanys Hauptstadt ein. Allen voran wurde von den Veranstaltern die Underground-Idee großgeschrieben, so vermisste der eine oder andere womöglich die ganz fetten Headliner. Mir war das Line-Up hochwertig genug, um kurzentschlossen wenigstens am Samstag gemütlich mit der Bimmelbahn von Leipzig bis ans Ostkreuz zu fahren und gerade einmal dreihundert Meter um die Kurve in die bzw. das Zukunft zu schlurfen. Dort wurde ich auch gleich von zwei freundlichen langhaarigen Zeitgenossen begrüßt, die sich als Teil der Crew inklusive Veranstalter entpuppten. – Text & Fotos: SM
Mit Bändchen, Poster und ordentlich erworbenem Festival-Shirt bewaffnet – ich konnte wieder einmal nicht an mich halten – ging es auch schon mehr oder weniger direkt Richtung Upstairs-Bühne, wo sich DOOMED schon auf ihren Auftritt vorbereiteten. Schnell noch die Beleuchtungsanlage in Augenschein genommen, Fotoknippse präpariert, doomtastisch positioniert – und das erste Gitarrenriff kroch aus den Boxen durch die Ohren ins Hörareal meiner Denkmurmel, die den Befehl "Gänsehaut" in beide Arme schickte. Das hielt genau so den kompletten Gig der erzgebirgischen Doom/Death-Barden an. Die Zeit zwischen den lichtbildnerischen Aktivitäten verbrachte mein Oberkörper mit ekstatischen, am treibenden bis Downtempo-Takt der Musik orientierten vor-, rück- bzw. auf- und abwärtsgerichteten Bewegungen – wobei die tolle Tolle schwungvoll schwang. Bei DOOMED kann ich einfach nicht gelangweilt rumstehen, weil mir die gnadenlose Live-Qualität der Band in alle Glieder fährt, von Blast-Beat-Aggression bis Slo-Mo-Emotion. Kurzum: grandios! Danach ging es direkt runter zu TORN TO PIECES, die den Anwesenden im Keller einen krachenden, den frühen 90ern huldigenden Doom/Death-Brocken um den Latz knallten, dass es rauchte.
Noch paralysiert vom Vorangegangenen stand ich anschließend draußen herum, half dann aber Freden von The Moth dabei, die (beinahe) mannshohe Verstärkerbox Downstairs zu wuchten – zumindest hielt ich seine Cola in der rechten und die Kippe in der anderen Hand –, während Cécile wesentlich zielsicherer anpackte. Dermaßen angestrengt folgte meine geübte Nase dem wundervollen Geruch bis zur Fütterungsstelle, die ausschließlich veganes Essen anbot, und zwar jenes, das ohne Tofu oder S(h)eitan auskommt und die indische Gewürzvielfalt in Form von Dal mit Papadam (Mamadam gab es trotz Nachfrage nicht), Pakoras an Mango- oder scharfem Gemüsechatney oder auch überdimensionalen Chapatis mit leckerer, knackfrischer Spinatfüllung offenbarte. Somit war außer dem audiovisuellen auch das kulinarische Bedürfnis meinerseits bereits zu diesem Zeitpunkt vollends zufrieden gestellt. Bei all der Schlemmerei verpasste ich WITCHFUCKER, deren Name ich einer klangtechnischen Überprüfung unterziehen wollte – vielleicht kann mir irgend jemand erzählen, wie sie waren.
Monolith lockten mich wieder Upstairs bzw. durch das gemütliche Hinterhofambiente an der Kneipenbar und den Merchständen vorbei bis zur Hauptbühne und tönten so gar nicht Seventies-Sabbath-mäßig, sondern tonnenschwer aus den Boxen, in allumfassendes Schwarz gehüllt, welches nur von einem dezent lichtstreuenden Strahler durchbrochen wurde und den Schriftzug hinter dem Schlagzeuger erhellte: MONOLITHE. Es handelte sich, wie ich herausfand, zumindest um das namentliche, französische Pendent, welches sich ohrenscheinlich in den ausufernden Funeral-Doom-Metal-Gefilden zuhause fühlte, so unglaublich walzend waberte der von einem Korg-Synthesizer unterlegte Gitarrensound um mich herum. Mit jedem der sub-genre-typisch überlangen Songs steigerte sich das musikalische Erlebnis von anfänglicher Austauschbarkeit bis hin zur pointierten Grandiosität in Form von dezent in die beinahe stehenden Riffwände verwobenen catchy Hooks und Leads. Das Stageacting des Fronthühnen passte sich mehr oder weniger elegant, meistens mehr gewollt als gekonnt, an die insgesamt hochwertige Instrumentalarbeit der Musiker an. MONOLITHE sollte ich auf dem Doom-Radar behalten.
Bevor ich es vergesse: Irgendwann zwischendurch begutachtete ich die mir empfohlene, speziell für das Swamp Fest kurierte Kunstausstellung, deren Gemäldeteil mich aussagetechnisch überforderte. Dafür hielten mich die Konzerfotografien eine Weile in ihrem Bann und ich diskutierte angespannt mit dem Pärchen neben mir über die technischen Raffinessen der Live-Fotografie und die Qualität der Aufnahmen, aus denen Bobby Liebling von Pentagram ästhetisch herausstach, gefolgt von Barny Greenway, weil es normalerweise fast unmöglich ist, vom zappeligen Napalm-Death-Fronter überhaupt einen scharfen Schuss hinzubekommen.
Auf der Geländeschleife zu GRIM VAN DOOM legte ich mir gleich deren CD-Album zu, um dem Ansturm nach ihrem Auftritt zu entgehen. Entsprechend kämpfte ich mich durch die Menschen im Keller bis direkt vor die ebenerdige Bühne, wo ich auch gleich einen Gitarrenhals in die Seite bekam. Sofort war klar: Hier geht die Doomcore-Post ab! Gar nicht so einfach, den kraftvollen Ausfallschritten des Fronters auszuweichen, während ich versuchte bei bewegter Enge unter saunaähnlichen Klimabedingungen formatfüllende Bildzeugnisse einzufangen. – Rums! – Der Tritt ging voll auf den Oberschenkel. Irgendwie gehörte das zum energiegeladenen Auftritt der optisch an Madball erinnernden Musiker dazu. Es gab heavy doomed-out Hardcore – Doomcore halt – voll auf die Zwölf und sehr kurzweilig.
Nach der benötigten Pause scheiterte ich am Versuch mich durch die begeisterte Meute bis vor zu THE MOTH zu kämpfen. Also genoss ich die ordentlich doomenden Klänge der Hamburger von hinten und befand, dass sie noch besser tönten als während der beiden zuvor erlebten Auftritte auf dem Stoned From The Underground und im Leipziger Manfreds.
Es ging direkt hoch zu CULT OF THE OCCULT, die mich mit einem wie ein Felsbrocken im Raum stehenden Grummel-Riff begrüßten, als ich in den Saal zur Upstairs-Bühne betrat. So gefiel mir das. Genauso ging es dem Album der Franzosen entsprechend mit "Five Degrees Of Insanity" weiter, nämlich mit wie aus Blei gegossenen Soundwänden, die nicht nur die Musiker sondern auch die Anwesenden auf den Fußboden pressten und plattwalzten. Der Frontgurgler war mittlerweile derartig in Stimmung, dass er großschrittiger Weise quer über die Bühne und beinahe von selbiger schwebte. Alles ging gut, den Leuten ging es gut, mir auch. Im finalen Sludge/Doom-Gewitter der Band zog mich meine – nein, nicht Bei- – sondern Mit-Schlafgelegenheit aus der Trance, um den Weg mit der allerletzten S-Bahn anzutreten. Dadurch verpasste ich blutenden Herzens WHIGHT, die gerade eben ihr allerneuestes Album eingetrommelt haben. Von deren Heavy-Blues-'n'-Psyched-Out-Doom-Qualitäten hätte ich mich gerne wieder einmal live einlullen lassen. Sei's drum, die Platte gab's dann zuhause in Leipzig auf die verwöhnten Ohren.
Was bleibt zum BERLIN SWAMP FEST resümierend zu sagen? Ganz einfach: top Organisation, coole Location, entspannte Leute und geile Bands, die kein Hipster kennt. – Support the Underground! – Die Festivaldevise macht mich an und Lust auf nächstes Jahr beim Swamp Fest im Zukunft am Ostkreuz. Danke, Swamp Conspiracy!