Hi Arvid, ich war ja ziemlich überrascht (im positiven Sinne), als ich SPACE PILGRIM beim letzten Low Frequency Assault zum ersten Mal live erleben durfte, geschweige denn, dass ich vorher von euch wusste. Vielleicht stellst du eure Band erst einmal kurz vor.
"Hallo Sven! Freut uns, wenn es gefallen hat. Das bedeutet hoffentlich, dass es uns gelungen ist, unseren Spaß am Musizieren gewissermaßen an das Publikum zu vermitteln. Wir hingegen waren überrascht, auf dem LFA spielen zu dürfen. Immerhin gibt es uns als Band erst seit Beginn 2009, und es ist nicht so, dass wir ex-Member irgendwelcher namhafter Combos wären. Wir sind drei Typen, mehr oder weniger aus Dresden, die sich durch Zufall auf einem Konzert kennengelernt haben. Und nachdem wir dort über unsere Lieblingsmusik schwadroniert hatten, haben wir beschlossen, uns als Band zusammenzuraufen, um unseren musikalischen Helden zu huldigen – indem wir den Geist der Musik, den wir jahrelang geatmet haben, durch eigene Werke reproduzieren. Das sind letztlich, bei allen Überschneidungen, schon verschiedene Sphären, die da aufeinander treffen und (hoffe ich) etwas Eigenes bilden. Ich (Bass & Gesang) bin vor über einer Dekade schwer von Electric Wizards 'Come my Fanatics' getroffen worden und davon nie wieder genesen, Martin (Gitarre) bringt einen heftigen Colour Haze-, aber auch Sleep-Einschlag in die Band und Paul (Schlagzeug) sorgt für das psychedelische, infiziert von OM und Ufomammut."
Die Mischung stimmt auf jeden Fall und fährt gut in Ohr, Mark und Bein - das habt ihr bei dem Auftritt in Nürnberg absolut bewiesen. Es gibt auch bereits eine Veröffentlichung von SPACE PILGRIM, erzähle mal ein bisschen davon?
"Es gibt eine Demo von uns. Nachdem wir ein Set an Liedern komponiert hatten, wollten wir diese recht bald aufnehmen, hauptsächlich, um uns für Gigs zu bewerben. War natürlich klar, dass wir das alles selbst zahlen müssen, daher haben wir nach günstigen Aufnahmemöglichkeiten gesucht, aber irgendwie waren die preiswerten Studios gerade in der Sommerpause, von einigen habe ich noch heute keine Antwort auf meine Anfrage bekommen. Paul ist dann irgendwie in Kontakt mit Left von LSD-Records in Dresden gekommen, der zum Glück einen kurzfristigen Platz für uns frei hatte. Das war zwar keine billige Möglichkeit mehr, aber immer noch erschwinglich (und es gab sogar Studentenrabatt). Mit ihm haben wir dann an vier Tagen von jeweils 16 bis 20 Uhr unser Material aufgenommen, inklusive Aufbau, Mischen, Mastern usw. – also über 60 Minuten Musik live eingespielt. Und zu guter Letzt war der Sound der Aufnahme so gut gelungen (abgesehen von dem ein oder anderen Patzerchen beim Spielen), dass wir hochzufrieden waren. Daher scheuen wir uns auch nicht, die Demo zu einem Unkostenbeitrag feilzubieten, als CD in Vinyloptik mit selbstgestalteter Hülle, DIY eben."
Die Demo ist insgesamt sehr stimmig, auch das Cover Artwork finde ich ziemlich gelungen. Es erinnert mich sehr an die Geschichte vom kleinen Hävelmann, der mit seinem Bett durch die von Sternen erleuchtete Nacht flog. Wer hat das wirklich schöne Bild denn entworfen?
"Ich arbeite in einem Fotoarchiv und da hat man so einige tausend Bilder im Kopf, weshalb ich, als sich die Frage nach einem Covermotiv für unsere Demo stellte, unweigerlich an eben dieses Bild beziehungsweise diese Bildserie denken musste. Das Bild ist aus den 1950er Jahren der DDR und steht unter freier Lizenz, so dass ich es ohne Probleme verwenden konnte. Paul und Martin fanden das auch sehr gut und gaben grünes Licht, ich habe ihm dann noch einen etwas psychedelisch gemeinten Farbanstrich gegeben, da es ursprünglich natürlich eine Schwarzweißfotografie war. Es drückt so ungemein viel aus, was ich mit SPACE PILGRIM verbinde – den imaginären Aufbruch in die unendlichen Weiten des Alls und die ersehnte Loslösung von allem Irdischen, das kindliche Staunen über das, was durch die Geisteskraft erschaffen und möglich wird. Und die Gewissheit des Endlichen – so wie der Ausstieg aus jener Schaukel erst ein leichtes Schwindelgefühl hervorrufen wird, eine Unsicherheit beim Stehen, um dann erkennbar werden zu lassen, dass es unser Schicksal ist, an diesen verdammten Planeten (und unsere Artgenossen) gebunden zu sein, ob wir nun kriechen oder uns mühsam auf zwei Beinen halten."
Sehr interessant, auch dass du in einem Fotoarchiv arbeitest (darüber sollten wir uns unbedingt an anderer Stelle einmal unterhalten). Inwiefern habt ihr diese von dir beschriebenen Gefühle und das, was du mit SPACE PILGRIM verbindest in euren Songs umgesetzt?
"Gewissermaßen findet in der Band ein Aushandlungsprozess statt. Ich trage vom Grunde her eine sehr nihilistische Weltsicht mit mir herum, kann durchaus eine liebliche Romantik an der Vorstellung vom nuklearen Overkill festmachen. Das ist eine Einstellung, die von Paul und Martin absolut nicht geteilt wird, was ich akzeptiere und respektiere. Insofern müssen wir immer wieder schauen, unsere Lieder so zu gestalten, dass jedem von uns ausreichend Projektionsfläche für seine eigenen Emotionen und Phantasien bleibt, denn darum geht es uns ja - eine musikalische Plattform für einen mächtigen Trip jenseits der eigenen physischen Grenzen zu bieten. Deswegen versuche ich auch die Lyrics nicht normativ, sondern vornehmlich deskriptiv zu gestalten. Ich rufe also nicht zu Mord und Totschlag auf, sondern versuche eine Landschaft zu malen oder zwischen den Zeilen ein Geschichtchen mit einer weitreichenden interpretatorischen Offenheit zu erzählen. Zumindest hoffe ich, dass mir das gelingt. Dass natürlich ein dezenter Pessimismus die gesamte Musik durchzieht, kann ich nicht verhehlen, soweit stecken wir noch in der Realität. Aber dennoch würde ich meinen, dass jedes SPACE PILGRIM-Stück eben jenen imaginären Aufbruch vom Hier und Jetzt impliziert, nur variiert die Richtung der Reise und das, worauf man während dessen stößt von Lied zu Lied."
"Gunslinger's Path" und "God Of Guts" auf der Demo. Aber widerspricht diese nihilistisch-pessimistische Sichtweise auf die Dinge nicht eurem musikalischen Konzept, das ich eher in der psychedelischen Stoner-Ecke ansiedeln würde - wie stehst du zu Peace, Love & Rock'n'Roll?
"Findest Du, dass wir Stoner klingen? Psychedelisch auf jeden Fall! Wenn ich mir meine musikalischen Vorbilder anschaue, so werden diese gemeinhin mit dem selben Genrestempel kategorisiert – Sleep gilt ebenso als „Stoner Doom“ wie Electric Wizard. Vom weltanschaulichen Standpunkt aus gesehen trennt diese beiden jedoch ein unüberwindbarer Hiatus. Wohingegen sich Al Cisneros seinen sakral-spirituellen Träumereien hingibt, beschwört Jus Oborn mit allem nur erdenklichen Hass den Untergang der Menschheit. Klar, wenn man vom Hörer zum Musikschaffenden wird, dann ist dieses Schaffen in irgendeiner Form beeinflusst vom bisher Gehörten (und Gelebten), hängt also vom Grad der musikalischen Vorbildung ab. Sagen wir es mal so: Ich habe wirklich sehr viel Electric Wizard gehört. Umso besser für das musikalische Produkt, dass Paul und Martin (immerhin zwei Drittel der Band) mit ihrer musikalischen Prägung als Regulativ wirken. Und ich weiß auch, dass die beiden durchaus etwas für Peace & Love übrighaben."
Also seht ihr euch trotz der unüberhörbaren Einflüsse selbst gar nicht als Stoner Band, was ist SPACE PILGRIM dann?
"Hm, wir selbst haben uns auf keine musikalische Kategorisierung festgelegt oder geeinigt. Wir denken uns Lieder aus und verwerfen sie auch wieder, wenn wir merken, dass unsere Herzen nicht ergriffen werden. Eine einende Grundkonstante ist unsere Affinität zu langsamen und verzerrten Klängen. Nach meiner persönlichen Meinung gefragt, würde ich sagen: ich höre seit mehr als einer Dekade Doom, habe sicher auch mal eine kleine Kyuss-Eskapade gehabt, aber an sich fühle ich mich eher 'verdammt' denn 'gesteinigt'. Wenn der Hörer unsere Musik aber näher am Stoner verortet, finde ich das jetzt auch nicht schlimm. Solange Space Pilgrim es vermag, seine Mitglieder und auch das Publikum mit auf die Reise zu nehmen und ermöglicht sich in Riffs und Klängen zu verlieren, ist alles in Ordnung."
Das denke ich auch, aber mit waghalsigen Kategorisierungen müsst ihr zukünftig vielleicht öfter umgehen müssen, zu wünschen wäre es euch auf jeden Fall! Bevor wir weiter die Rosinen aus dem Genre-Kuchen klauben, erzähle uns doch etwas über die fünf Songs auf der Demo, warum sollte man sich Zeit für jeden einzelnen nehmen?
"Jeder Song geht an die zehn Minuten, ich kann mir vorstellen, dass das nicht jedermanns Sache ist. Aber das ist ja eigentlich das schöne an unserer Subkultur. Die Hörgewohnheiten sind darauf ausgerichtet, dass man bis zur letzten Minute wartet, ob sich da nicht doch noch was tut, so ein Publikum darf man hier getrost voraussetzen. Und so repetitiv und trippy unsere Lieder manchmal sind, irgendwann gegen Ende wollen wir’s schon schön krachen lassen. Das kommt natürlich live wesentlich mitreißender und dynamischer als von einem Tonträger. Die Lieder auf unserer Demo bilden inhaltliche Einheiten, jedes hat seinen eigenen, abgeschlossenen Charakter, der nicht zwingend auf die anderen Lieder übertragen wird. Thematisch wird mal auf literarisches und mal auf mythologisches zurückgegriffen, mal eine fiktive Zukunft geschaffen, also wild durch Zeit und Raum gereist."
Wie sind denn bis jetzt die Resonanzen auf eure Demo?
"Beschwert hat sich noch niemand. Ich denke mal, der ein oder andere ist schon angetan davon, dass die Soundqualität für eine Demo recht anständig ist. Aber dass es starke Unterschiede zu einer Livepräsentation gibt, wird uns öfter mal zugetragen – es meisten Leute, die eine CD von uns für zu Hause haben wollen, eine nach dem Konzert mitnehmen, gehe ich davon aus, dass sie nicht ins kalte Wasser geworfen werden, wenn sie die Lieder hören. Also ich hoffe mal, und wünsche es mir, dass diejenigen, die eine haben, damit zufrieden sind."
Also ich bin es! Apropos, gibt es bereits neues, noch unveröffentlichtes Material?
"In der Mache ist so einiges, aber aufgenommen liegt nichts weiter vor und bis zum nächsten Recording wird sicher noch ein wenig Zeit ins Land gehen. Erst mal kommt es uns darauf an, dass wir live etwas durch die Welt kommen."
Wohin soll die Reise denn gehen, gibt es schon Pläne oder Wünsche?
"Wir freuen uns über nahezu jede Möglichkeit, ob nun in der Region oder darüber hinaus, ob Dresden oder Turin oder San Francisco (hüstl) – Hauptsache, es gibt ein Publikum, das sich auf diese Musik einlassen kann, oder zumindest eines, das sich bekehren lässt. Allerdings ist das Jahr jetzt schon ziemlich gestopft mit Dingen, die es fernab der Musik zu bewältigen gibt und ein Fahrzeug hat auch keiner von uns. Daher wird es sicher einen großen Unterschied zwischen Wunsch und Realität geben. Trotzdem hoffen wir, mal so im Sommer an verschiedenen Wochenenden in einigen bundes-republikanischen Städten aufzuschlagen."
Das ist sicherlich nur eine Frage der Organisation, da sollte doch was gehen - nicht wahr, liebe VERANSTALTER und BANDS da draußen! Für den Fall, dass ich demnächst wieder in Dresden verweile: wo sollte man bei euch hingehen, um guten Live-Doom/Stoner erleben zu können?
"Bei uns im Proberaum geht es schön laut zu, den kann ich empfehlen, hehe. In Dresden haben wir, ehrlich gesagt, leider keine fixe Anlaufstelle. Es gibt schon Organisatoren, die mit Herzblut was ranholen, wenn ich zum Beispiel an das Stoner-Weekend mit Colour Haze und Karma to Burn denke oder Acid King, die waren hier mit Suma. An und für sich sieht es hier aber recht mau aus – ein guter Anlass, seine eigene Musik zu machen. Gute Bands gibt es ja einige hier, die wohl dasselbe denken. Da geht zum Beispiel in Freiberg einiges mehr – eine stonerverrückte Horde veranstaltet dort das Hammerberg Open Air und Konzerte darum herum. So hatten wir auch bereits einige Gigs in Freiberg gespielt, bis wir überhaupt erstmal in unserer Heimatstadt vorstellig wurden."
So sieht es leider vielerorts und nicht nur in Deutschland aus! Ich freue mich auf jeden Fall, dass SPACE PILGRIM den Doom Untergrund bereichern und ihr euch hier so bereitwillig vorgestellt habt. Die letzten Worte gehören euch:
"Dann kann ich jetzt auch mal ein paar Lorbeeren überreichen: Danke Dir, dass Du soviel Zeit und Arbeit in das Doom Metal Front-Monster steckst und natürlich dafür, dass wir Teil dieser Ausgabe sein dürfen!"
text & fotos: Mo)))urner